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Lernfabrik Industrie 4.0 an der Walther-Rathenau Gewerbeschule

Seit Juli 2021 befindet sich die Lernfabrik der Walther-Rathenau Gewerbeschule in der Komplettausbaustufe, zuletzt wurde ein kollaborierender Roboter (YuMi) eingebunden.

Unsere Auszubildendenden müssen fit für die Zukunft sein – sie müssen sich aktiv und produktiv mit den in der Ausbildung geforderten Kompetenzen auseinandersetzen können – das war der Grundgedanke bei der Planung unserer Industrie 4.0. Doch der Bereich der Automatisierungs- sowie der Informationstechnik unterliegt einem ständigen Wandel und Neuerungen.

Wie muss ein zukunftssicheres Konzept aussehen? Die Lösung ist ein modularer Anlagenaufbau der aus einzelnen Stationen bestehenden Lernfabrik. Ein zukünftiger Technologiewechsel, beispielsweise der Umstieg von einer klassischen speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) auf einen Industrie PC (IPC), ist so ohne allzu großen Aufwand umsetzbar. Entsprechende Lehrplatten werden ausgewechselt; die Schnittstelle zwischen Mechanik mit angebauter Sensorik erfolgt über standardisierte Feldbussysteme (z.B. Profinet) und so bleibt ein Großteil der eigentlichen Anlage unberührt.

Die Anlage besteht aus 10 Modulen und bildet einen Fertigungsprozess ab: Kleine Döschen werden befüllt, geprüft, verschlossen und einlagert. Ein RFID-Chip auf einem Werkstückträger speichert dazu den entsprechenden Arbeitsauftrag und sucht sich die für den nächsten Arbeitsschritt erforderliche, freie verfügbare Ressource. Vernetzte Sensoren überwachen den Fertigungsprozess und liefern permanent Prozessdaten – sie können anschließend für eine vorausschauende Instandhaltung ausgewertet werden. Ein Kamera-, sowie ein hochgenaues Wiegesystem, bilden die Basis für die Qualitätssicherung.

Unsere Schülerinnen und Schüler, aufsteigend von der Berufsschule bis zur Technikerschule Fachstufe, erlernen so den Einsatz und Umgang von Technologien, welche im Verbund die Industrie 4.0 Technologie bilden. Dazu gehören beispielsweise Sensorik mit IO-Link Schnittstellen, Identsysteme wie QR-Code oder RFID, Industrial Internet of Things (IIoT) um Prozessdaten in eine Cloud zu legen, sowie Einsatz von OPC UA als Standardprotokoll für durchgängige Kommunikation zwischen Maschinensteuerungen und PCs. Dies sind zwar alles Technologien, die einzeln schon länger Bestand haben, aber gerade im Verbund genutzt, einen hohen Automatisierungsgrad bilden. Auch der Einsatz eines übergeordneten MES / ERP-System für die Produktionsplanung bzw. Produktionssteuerung (kompatibel mit SAP for Schools) mit angebundenem Webshop wurde bei der Umsetzung berücksichtigt. Via Smartphone oder Tablet ist ein Zugriff auf die einzelnen untereinander vernetzten Steuerungen für Diagnosezwecke möglich. Somit wird ein breites Einsatzgebiet im Bereich der Energie-, Automatisierungs-, Informations- sowie Geräte- und Systemtechnik abgedeckt. In Kooperationsprojekten zwischen betrieblicher und schulischer Ausbildung und in Technikerprojektarbeiten erfolgt eine stetige Weiterentwicklung der Gesamtanlage und ihrer Module. Mittels Augmented Reality (AR) erlernen die Schüler eine digitalunterstützte Art der Instandhaltung kennen. So werden beispielsweise Bauteilisten, Explosionszeichnungen der Baupläne oder Wartungspläne beim Einsatz einer AR-Brille direkt ins Sichtfeld eingeblendet und unterstützen somit die Fehleranalyse.

Auch die Programmierung von speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) hat sich mit I4.0 deutlich gewandelt und stellt durch die Komplexität neue Herausforderungen an die Schülerinnen und Schüler. Kennzeichnend für die veränderte Art der Programmerstellung ist die modulare, baukastenförmige Programmierung, so dass Aktoren und Programmbausteine eine Einheit bilden. Wird beispielsweise eine Pneumatikeinheit gegen eine funktional abweichende Einheit gewechselt, erfolgt im Steuerungsprogramm ebenfalls ein Tausch der Funktionsbausteine. Diese Modularität erhöht die Flexibilität der verfügbaren Ressource gegenüber bestehenden konventionellen Maschinen, die für einen einzigen bestimmten Produktionsvorgang konstruiert wurden. In verschiedenen Niveaustufen erfolgt hier der Lernprozess vom einzelnen Sensor bzw. Aktor bis hin zur Applikation. Schülerinnen und Schüler lernen so, wie durch Einsatz intelligenter Sensorik und einer modularen Programmierung Rüst- und Servicezeiten von Maschinen und Anlagen reduziert bzw. optimiert werden können.

Die unterrichtliche Umsetzung einzelner Lerneinheiten, gerade bei der Programmierung einzelner Applikationen (z.B. Rohteillager, Palettenlager, Abfüllen usw.) wird durch den Einsatz von „digitalen Zwillingen“ erleichtert. Somit hat jeder Lernende das gleiche Stationsmodell in digitaler 3D Version mit Schnittstelle zum Automatisierungsprogramm zur Verfügung. Real hingegen ist es nur einmal in der Anlage vorhanden, und könnte somit nicht zum gleichen Zeitpunkt von allen Schülerinnen und Schülern einer Lerngruppe genutzt werden.

Die Integration der neuen Anlage ist für alle Beteiligten ein kontinuierlicher Lernprozess, wobei die ersten Erfahrungen zeigen, dass die unterrichtliche Einbindung der Lernfabrik von den Schülerinnen und Schülern sehr positiv aufgenommen wurde.

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